Mediation und Demokratie

„Was recht is, is recht, doch was z´viel is, is z´viel“ singt der Chor im Wirtshaus in Krähwinkel zu Beginn der Revolutionsposse von Johann Nestroy. Die im März 1848 gestellte Frage, ob

  • „was recht is“,
  • trotz Legitimation durch das Recht nicht doch „z´viel is“,

ist nicht nur bei der Auseinandersetzung um Infrastrukturprojekte eine entscheidende Frage unserer Demokratie.

Ich versuche eine vorsichtige Antwort zu geben: Bei vielen Infrastrukturprojekten der letzten Jahre wurde die Beantwortung der Frage „was recht is“ nicht allein den Behördenverfahren übertragen, sondern im Vorfeld der Genehmigungsverfahren versucht, diese Frage in Mediationsverfahren oder an Runden Tischen zu verhandeln.

Der Grund dafür liegt aus meiner Sicht nicht in der Illusion von „win – win“ Situationen. Bei den von mir- mittlerweile seit bald 40 Jahren- betreuten Infrastrukturprojekten sind aus guten Gründen konsensualen Lösungen sämtlicher, sich aus einem Vorhaben ergebender Konflikte zu Fragen der Ökonomie, Ökologie und Sozialem selten. Veränderungen einer Region durch Änderungen der Infrastruktur führen zu Widersprüchen und Konflikten.

In unserer Demokratie werden Interessens-Konflikte täglich verhandelt, zwischen Regierungsparteien und Opposition im Parlament und genauso außerhalb des Parlaments mit (und innerhalb) der Zivilgesellschaft. Wir sind stolz darauf, dass unsere Verfassung das Verhandeln von Konflikten schützt, der Opposition Rechte gibt und den Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen des Rechtsstaates Schutz gewährt. Unsere Grundrechte und damit auch das

  • verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Dissens

wurden im deutschsprachigen Raum mit der Revolution 1848 erkämpft und erstmals festgeschrieben.

In Zeiten von COVID 19 hat ein Wiener Stadtrat die Bedeutung von Dissens wie folgt auf den Punkt gebracht: „Ich kann nur von meinem Krisenstab reden. Ich stehe sehr auf Dissens, dadurch wird jede Entscheidung besser. Der oberste Krisenmanager und ich haben nicht immer dieselbe Meinung, aber wir suchen die beste Entscheidung, die wir dann gemeinsam nach außen vertreten. Und wir suchen uns keine Typen, die sagen: Jawohl, Herr Chef! Das brauche ich nicht.“

Die Hoffnung, dass durch Dissens, durch Diskurs eine „Entscheidung besser“ wird, trägt auch Mediationsverfahren oder einen Runden Tisch zu Infrastrukturprojekten. Die Politik, Infrastrukturbetreiber und vor allem die betroffenen Bürgerinnen und Bürger haben sich in den letzten Jahrzehnten mit dieser Erwartung oft entschieden,

  • zusätzlich zu den notwendigen politischen Prozessen und Behördenverfahren,
  • Zeit, Engagement und Kosten für Partizipationsverfahren

aufzubringen.